Mittwoch, 5. Dezember 2012

Der Göteborger

Beobachtungen der in Göteborg ansässigen Menschen, im Folgenden "Der Göteborger" (Neutrum) genannt.

Der Göteborger ist flott unterwegs. Unabhängig von Körpergröße und folglich Beinlänge lässt der Göteborger sogar mich, die ich laut Cora ständig "renne", locker hinter sich. Der Göteborger erweckt ständig den Anschein es furchtbar eilig zu haben und sehr beschäftigt zu sein. Meines Erachtens nach eine Methode um sich vor Fremden redseligen Menschen zu schützen und so den unbeliebten Smalltalk zu umgehen.

Der Göteborger liebt sein iPhone. Und ich wähle hier mit Absicht den Term iPhone und nicht etwa Handy, denn Apple muss vor Freude über die Verkaufszahlen des iPhones in Göteborg Freudentränen in den Augen haben. Das iPhone dient, egal an welchem Ort und egal zu welcher Zeit, nicht nur der Kommunikation über "Social Networks" sondern auch der lautstarken Telefonie. Dabei wird das trendige, mit glitzernden Schutzhüllen bestückte It-Piece nicht etwa am Ohr gehalten, sondern 10cm bis 20cm vor dem Körper in der offenen Hand getragen. Der Frequenzübertragung vom Mund und zum Ohr dient dabei ein Headset, welches jedoch selten das Originalheadset in weiß ist (wie langweilig!), sondern meist ein mit buntem Stoff bezogenes oder mit bunten Perlen (und hier kommen die alten Steckperlen wieder in Mode) befädeltes Headset.

Der Göteborger zieht seine Gardinen nicht zu. Frei nach dem Motto "Ich habe nichts zu verbergen", wird dem vorbeiziehenden Passanten nicht nur der Einblick in sämtliche Räume (ausgenommen Badezimmer) ermöglicht, sondern durch helle Beleuchtung und Lampen im Fenster auch erleichtert. Besonders jetzt in der Vorweihnachtszeit hilft diese Tatsache dabei, jeden noch so muffeligen Vorbeiziehenden beim Anblick der Weihnachtslichter in eine seelige Vorfreude zu versetzen.

Dem Göteborger klingelt es nicht im Geldbeutel. Denn er bezahlt mit Karte. Ob Wochenendeinkauf, oder eine Tüte Milch, ob neues Businessoutfit oder ein Paar Socken: Die Karte qualmt. Der Göteborger hat eine solche Abneigung gegen Hartgeld, dass er, um jeglichen Kontakt zu vermeiden, für die Touristen die es nicht besser wissen als mit Münzen zu zahlen, Automaten an jeder Kasse installiert hat. In diese wirft der Tourist seine Münzen ein und bekommt auf selben Wege auch sein Wechselgeld. Und einen mahnenden Blick. Es kann doch nicht so schwer sein, sich eine Kreditkarte zu beschaffen? Wenn es sich aber nun nicht vermeiden lässt, der Göteborger mit Scheinen bezahlt hat und nun diese unbeliebten Münzen als Wechselgeld erhält, so führt sein erster Weg nach dem Einkauf in die nächste Bank. Hier stehen Automaten bereit, die bereitwillig die armen Münzen schlucken und im Gegenzug Scheine ausspucken. Gottseidank!

Der Göteborger nimmt's sportlich. Und zwar bei jedem Wetter. Da wird die enge Sporthose und die Laufjacke angezogen und ab geht's auf die Straße zum "Joggen", wobei es mir, gemessen am Tempo des Göteborgers, fast wiederstrebt sein Rennen noch als Joggen zu bezeichnen. Als wäre das nicht genug, besucht der Göteborger fleißig sein geliebtes Fitnessstudio. Hierbei kann der Göteborger, je nach Budget und Wohnort, das für ihn passende Studio aus (sicherlich) über Hunderten innerhalb der Stadt auswählen und muss dafür meist nur 2-3 Straßen weit gehen.


3 Kommentare:

  1. Mein liebes armes Kind, da musst du dir mit deinem blöden Normalo-handy ja total rückständig vorkommen!Und wie peinlich, sich mit Bargeld bloßstellen zu müssen! Das Leben ist ungerecht!!!
    Aber ernsthaft: was für ein Vergnügen, deine wunderbar formulierte Glosse zu lesen - danke dafür!!!

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    1. Gottseidank kann ich ja mittlererweile auch mit meiner Karte zahlen und falle nicht mehr so unangenehm auf ;)
      Ich hoffe das ganze noch weiterführen zu können, deswegen auch der abrupte Schluss :)

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  2. Unheimlich gut getroffen, gut beobachtet! Genauso habe ich es auch empfunden. Ich bin wahnsinnig gespannt auf eine Fortsetzung, das verlangt einfach nach mehr......
    Hab mich köstlich amüsiert! :)

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